Eva Chytilek und Jakob Neulinger
Susanne Neuburger
im Rahmen der Ausstellung: Kunst ins Leben! Der Sammler Wolfgang Hahn und die 60er Jahre
Schleifpapier, Aluminiumprofile, Analogdruck auf PVC-Folie, Tinte, Gummi, Netzstoff, Schaumstoff, Mäntel aus Silberfolie, Schirmkappen, PVC, Lenkrollen, Haken, Ösen, Nieten, Klammern, Metallringe, Kugelketten, Schnur, Gummiband, Aluminiumstifte, Draht, Selfie-Sticks, Textil, Lack, Acrylfarbe
1963 konzipiert Allan Kaprow dieses Environment als Hommage an den Maler Hans Hofmann, der sein Lehrer war und großen Einfluss auf die amerikanische Avantgarde der 1940er- und 1950er-Jahre hatte. Seine sprichwörtlich gewordene Lehrmethode nennt Hofmann „Push and Pull“. Eine Bildkomposition soll demnach gleichermaßen aus statischen und dynamische Elementen, aus geometrischen und freien Formen, vorspringend aggressiven und zurückweichend passiven Farbtönen aufgebaut sein – ein ständiges Vor und Zurück. Kaprows Environment ist eine Parodie auf die streng formale Kompositionsweise Hofmanns: Die Besucher_innen sollen nach Belieben und im Geiste der abstrakten Lehrmethode Hofmanns Möbel hin- und hertragen, vor- und zurückschieben. Stühle, Tische, Lampen und Teppiche werden so zu einem (komödiantischen) Aktionsraum, wenn es etwa heißt: „Aber Vorsicht!: setz dich nie auf die Stühle! Das würde die Komposition zerstören. Es sei denn allerdings, du machtest die ganze Schieberei nochmal von vorne, bis die Sache wieder stimmt, und zum dritten Mal, wenn du wieder aufstehst“.
Für spätere Präsentationen hat Kaprow eine immer neue Interpretation seiner Arbeit gefordert, deren Kernstück die Kiste mit den handgeschriebenen Anweisungen auf Kartontafeln darstellt, die Wolfgang Hahn erworben hat. Für Kunst ins Leben! haben die Künstler_innen Eva Chytilek und Jakob Neulinger im gleichen Raum, in dem Kaprow selbst 2002 seine letzte eigene Re-Invention inszenierte, das Werk neu interpretiert. Sie nehmen Kaprows Anweisungen als Referenzpunkt für ein veränderbares Setting aus skulpturalen Elementen, das es den Besucher_innen ebenso wie damals ermöglicht, partizipatorisch einzugreifen.
Der Boden aus blauem Sandpapier bildet eine Art Bühne, auf der die Objekte von Chytilek und Neulinger bereitstehen. Sie bestehen aus leichten und durchlässig gefertigten Rahmenkonstruktionen, die ebenso Räume bilden wie sie Zwischenräume hervorrufen. Formal weisen sie Anklänge an Möblierungen auf, wenn sie in ihrer minimalistischen Ausführung Paneele, Stellwände, Raumteiler oder Paravents zitieren, sich in Funktion und Form aber nicht festlegen lassen. Mit transparenten Trägermaterialien integrieren Chytilek und Neulinger Textfragmente und verbinden so Text und Skulptur, Handlung und Objekt. Sie antworten Kaprow mit einem zeitgenössischen elementaren Formenvokabular, mit Figuren im Raum, die sich performativ verbinden und trennen lassen. Auf dem Boden bleiben die Abdrücke als Summe aller Handlungen zurück.